Wimmer’s Kommentar
Michael Wimmer bezieht in seinen Kommentaren regelmäßig Stelllung zu den neuesten Entwicklungen in Kultur, Bildung und Politik.
Ergänzt werden diese durch eigene Begegnungen und Erlebnisse im Rahmen seiner Tätigkeit als Dozent, Autor und Berater.
Buchpräsentation “Eroberung des Elfenbeinturms” von Fabian Burstein
Eine recht lebendige kulturpolitische Diskussion war das, die da gestern in der Wiener Hauptbücherei stattgefunden hat.
Von Matti Bunzl, dem Direktor des Wien Museums war ich besonders beeindruckt, wenn er meinte, er würde sich die Büchereien Wien bei der konzeptionellen Weiterentwicklung zum Vorbild nehmen. Und wer die jungen Menschen aus dem 15. Bezirk beobachtet hat, die die Hauptbücherei über der Gürtellinie zum Treffpunkt erkoren haben, weiß, wovon die Rede ist. Entsprechend bin ich neugierig, wie sehr das künftige Wien Museum in den Karlsplatz als einem mittlerweile angesagten Platz ganz unterschiedlicher Jugendgruppen geworden ist, hineinzustrahlen bzw. diesen zu bieten vermag.
Nebensatz: Warum die Büchereien und andere kulturelle Volksbildungseinrichtungen ungeachtet ihrer Breitenwirkung ungebrochen gegenüber den Reminiszenzen bürgerlicher Hochkultur strukturell benachteiligt bleiben, kann ich nur mit dem “Klassenverrat” der kulturpolitischen Akteur*innen erklären. Sie rühmen sich zwar gern ihre Herkunft aus kleinen Verhältnissen, um im nächsten Augenblick aber stolz mit ihrem Staatsopern-Abonnement zu winken – und kein Problem darin sehen, ihre kulturpolitischen Aktionen nach ihren eigenen Aufstiegsambitionen auszurichten.
Leider ist im Rahmen der offenbar unabwendbaren Selbstbespiegelung des Kulturbetriebs (“Klar könnte “die Kultur” noch mehr Geld vertragen – aber eigentlich geht es uns doch gut”) auch wieder das Thema hochgekommen, es gälte – endlich – mit Kultur Wahlen zu gewinnen. Und dabei einer völligen Fehleinschätzung künstlerischer Existenz zu unterliegen, die – mit oft penetrant narzisstischem Pathos – nur zu leicht bereit ist, das eigene Mäntelchen in den Wind der jeweiligen Herrschaftsverhältnisse zu hängen (die Haltungen vieler Künstler*innen angesichts der aktuellen Kriegsereignisse sollten uns ein Lehrbeispiel sein).
Umgekehrt wird ein Schuh draus, wenn es in Umbruchgszeiten neue politische Bewegungen waren, die einen hegemonialen Anspruch stellten, auf den irgendwann auch Künstler*innen aufgesprungen sind. Zur Zeit gewinnen halt das rechtsnationalistische Kräfte die Überhand. Spätestens zu dem Zeitpunkt, an dem diese Kräfte die Hand auf die Kulturbudgets legen, werden sich ausreichend Künstler*innen finden, die deren politischen Kurs unterstützen (während andere ihn zumindest verbal weiterhin ablehnen).
Und noch ein Punkt hat mich angesprochen: Die Frage, ob sich Kulturpolitik noch in das traditionelle Links-Rechts-Schema pressen lässt bzw. – im Sinne der aktuellen Diversitätsdebatte – warum explizit “rechten Künstler*innen” keine staatliche Förderung erhielten (immerhin gab es Odin Wiesinger im oö. Kulturausschuss: https://kontrast.at/odin-wiesinger-bilder-fpoe/). Und dabei unberücksichtigt bleibt, dass weite Teile des etablierten Kulturbetriebs strukturell immer schon eine konservative Bestimmung hatten. Und sich daran auch nichts geändert hat, wenn explizit “linke Akteur*innen” diesen Betrieb bespielt haben. Deren Bestimmung ist und bleibt auf Machterhalt gerichtet, der sich zur Zeit weniger an (kultur-)politischen Vorgaben sondern in Ermangelung solcher am Erfolg am Markt der kulturellen Güter bemisst.
Fabian Burstein und mit ihm uns allen sind viele weitere solcher Diskussionen zu wünschen.