Wimmer’s Kommentar
Michael Wimmer bezieht in seinen Kommentaren regelmäßig Stelllung zu den neuesten Entwicklungen in Kultur, Bildung und Politik.
Ergänzt werden diese durch eigene Begegnungen und Erlebnisse im Rahmen seiner Tätigkeit als Dozent, Autor und Berater.
Die “Liebe zum Skandal” zeigt sich nicht nur in den Salzburger Festspielen. Sie zeigt sich vor allem in den Amtsstuben der Kulturpolitik und -bürokratie, die soziale Ungleichheit perpetuieren.
Die “Liebe zum Skandal” zeigt sich nicht nur in den Salzburger Festspielen. Sie zeigt sich vor allem in den Amtsstuben der Kulturpolitik und -bürokratie, die soziale Ungleichheit perpetuieren.
Im Kurier erhielt die amtierende Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer in “Es gibt eine gewisse Liebe zum Skandal!” zuletzz eine ganze Seite, um sich ihrer Erfolge zu berühmen: https://kurier.at/kultur/kulturstaatssekretaerin-andrea-mayer-interview-kulturstrategie-salzburger-festspiele-volkstheater/402711172
Vielleicht ist das ja eine späte Reaktion auf eine Stellungnahme des frühere Wiener Kulturstadtrates Andreas Mailath-Pokorny, der noch im September gemeint hatte, der kulturpolitische Diskurs wäre weitgehend zusammen gebrochen: (https://kurier.at/kultur/muk-rektor-andreas-mailath-pokorny-oeffentliche-debatte-ueber-kultur-findet-nicht-mehr-statt/402595181)
Aber auch Andrea Mayer will garnicht diskutieren. Sie will in dem, was sie als Kulturstrategie anbietet, bestätigt werden. Und verweist dabei zurecht auf neue Maßnahmen im Bereich von Fair Pay oder Nachhaltigkeit.
Aber schon die Ansage zum Thema “Neues Publikum”, wonach “die Institutionen angehalten seien, sich um neues Publikum zu bemühen”, macht deutlich, wie weit weg wir noch immer sind von einem strategischen Zugang zu Fragen der Kulturpolitik.
Meyer verweist in dem Zusammenhang auf die Sora-Studie zum kulturellen Verhalten aus 2022 (https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20230505_OTS0110/bmkoes-veroeffentlicht-umfassende-studie-zum-besucherinnen-verhalten-in-kunst-und-kultur), die im Prinzip den Befund wiederholt, den wir seit den 1070er Jahren beklagen: dass ein immer größerer Teil der Bevölkerung vom staatlich alimentierten Kulturangebot nicht erfasst wird.
Aber anstatt den Kulturbetrieb in seiner weitgehend überkommenen Form angesichts der dramatischen gesellschaftlichen Veränderungen noch einmal grundsätzlich in Frage zu stellen, beschränkt sich Meyer auf den kulturpolitischen Kalauer, “Kultur” künftig besser in Schulen zu verankern.
Die Absichtserklärung, künftig mit dem Bildungsminister gemeinsame Maßnahmen setzen zu wollen, erscheint hoffentlich nicht nur mir als langjährigem Leiter des Österreichischen Kultur-Service als schierer Zynismus. Weil – mit Ausnahme der Amtszeit von Claudia Schmied – alles getan wurde, um “Kulturelle Bildung” sowie “Kunst- und Kulturvermittlung” zu einem ebenso kultur- wie bildungspolitischen Schattendasein zu verurteilen.
Mit dem Ergebnis, dass sich die sozio-kulturelle Ungleichheit in den letzten Jahren nicht verringert sondern verschärft hat, und der Kulturbetrieb ungebrochen als Garant dafür auftritt, dass sich daran strukturell auch so schnell nichts ändern wird.