Wimmer’s Kommentar
Michael Wimmer bezieht in seinen Kommentaren regelmäßig Stelllung zu den neuesten Entwicklungen in Kultur, Bildung und Politik.
Ergänzt werden diese durch eigene Begegnungen und Erlebnisse im Rahmen seiner Tätigkeit als Dozent, Autor und Berater.
Die Verleihung des Nobelpreises an Peter Handke ist hochverdient – gerade weil er politisch Stellung bezogen hat
Im Moment überbieten sich alldiejenigen Kulturaktivist*innen, die vermeinen, von ihrem moralischen Hochstand aus, es Peter Handke nicht durchgehen lassen zu können, mit dem Milosevic-Regime sympathisiert zu haben. Was immer an Literatur er geschrieben haben mag, auf der vermeintlich falschen Seite gestanden zu sein ist ihnen Grund genug, ihn für den Literaturnobelpreis zu disqualifizieren.
Zumindest zwei Argumente möchte ich gegen diese Schar der politisch Korrekten ins Treffen führen. Da ist zum einen die Zugehörigkeit Handkes zur slowenischen Volksgruppe. Als solchem betraf ihn der Zusammenbruch des Vielvölkerstaates Jugoslawiens in besonderem Maße. Dabei ist ihm nicht verborgen geblieben, dass es die europäischen Staaten, allen voran Deutschland und Österreich waren, die den Zerfallsprozess aktiv betrieben haben, ohne diejenigen hinlänglich einzubeziehen, die sich für den Zusammenhalt einsetzten. Als die Lage eskalierte begünstigten die Versäumnisse der internationalen Gemeinschaft die Gewaltausbrüche (so sahen die vor Ort stationierten Uno-Blauhelme bei den Massakern in und um Srebrenica tatenlos zu)
. Am Ende waren Mitglieder der Europäischen Union, die 2012 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, aktiv an der Bombardierung Serbiens beteiligt. Bei all diesen Entwicklungen war die öffentliche Meinung des Westens einig darin, Serbien mit allen Mitteln in die Knie zu zwingen. Und das gelang ja dann auch weitgehend. Und dann traute sich ausgerechnet ein Autor an die Öffentlichkeit mit der Behauptung, in einem Krieg gibt es nicht „die Guten“ und „die Bösen“. In einem Krieg machen sich alle die Hände schmutzig
Volume of distribution is similar in rodents and humans but is higher in the dog, probably reflecting the lower protein binding in this species. what is cialis NO.
. Daher sah er es als seine Aufgabe, sich auszusetzen und mit seiner Präsenz in Serbien zu verdeutlichen, dass über das vermeintlich alternativlose Engagement des Westens die Anliegen der Serben nicht völlig ausgeblendet werden dürfen. Meiner Erinnerung nach, war Handke niemals ein Parteigänger von Milosevic oder gar von Mladic und Konsorten. Aber er wollte mit seinem Engagement einen blinden Fleck in der öffentlichen Meinung des Westens sichtbar machen, wonach in dieser Auseinandersetzung nicht das Gute gegen das Böse kämpft sondern die Befürworter eines Zerfalls Jugoslawiens gegen deren Gegner. Dass sich Handke damit angreifbar machte und als politisch weltfremder Außenseiter ins Eck der Befürworter serbischer Massenmörder gemacht wurde, zeigt bestenfalls von den engen Grenzen der öffentlichen Debatte in liberalen Demokratien.
Das zweite Argument betrifft die Literatur selbst. Mit der Argument, Handkes Literatur wäre auf Grund seines politischen Engagements nicht würdig für den Nobelpreis, verfehlen die Kritiker genau das, was die Grundlage von Literatur ausmacht: Die lebenslange Suche eines Autors/einer Autorin, sich mit aller ihnen eigenen Gebrochenheit in einer widersprüchlichen Welt zu verhalten, um am Ende dieser Suche einen sprachlichen Ausdruck zu verleihen. In einer solchen Definition aber wäre der Anspruch, eine eigene Haltung – wenn es sein muss, gegen die ganze Welt – zu entwickeln und die Konsequenzen als literarische Ressource zu nutzen. Auch Autor*innen leben nicht allein in der Welt; sie treten ihr mit all ihren Fähigkeiten, Hoffnungen, Verzweiflungen, Verführbarkeiten und Standhaftigkeiten entgegen und transformieren ihr subjektives in der Welt sein in einer inter-subjektive ästhetische Form, im Fall Handkes in einer Art und Weise, die den Nobelpreis verdient. Von ihm zu fordern, er hätte einen öffentlichen politischen Mainstream zu repräsentieren, auf dass seine Literatur entsprechend gewürdigt werden könne, hieße, ihn von den Quellen seines künstlerischen Schaffens abzuschneiden. Ja, er stünde dann auf der „richtigen Seite“ derer, die zwar von Literatur keine Ahnung haben, dafür aber die Fahne der politischen Korrektness hochhalten. An den bis heute prekären politischen Verhältnissen in den jugoslawischen Nachfolgestaaten würde Handkes Einwilligung in ein westliches Dominanzstreben am Balkan nichts ändern; aber wir wären um eine bedeutende literarische Stimme ärmer. Und hätten zumindest eine Vorbildfigur in Sachen „künstlerischer Eigensinn“ weniger.