Wimmer’s Kommentar
Michael Wimmer bezieht in seinen Kommentaren regelmäßig Stelllung zu den neuesten Entwicklungen in Kultur, Bildung und Politik.
Ergänzt werden diese durch eigene Begegnungen und Erlebnisse im Rahmen seiner Tätigkeit als Dozent, Autor und Berater.
“Empowerment Kultur” von Fabian Burstein – Über einen, der es immer wieder probiert.
Empowerment Kultur – Über einen, der es immer wieder probiert.
Kulturpolitik wird auch in diesem Wahlkampf der demokratisch verpflichteten Parteien keine größere Rolle spielen. Wieder einmal bleibt es den nationalistisch-autoritären Kräften vorbehalten, Kultur als wirksamen gesellschaftspolitischen Faktor zu verhandeln, der alle relevanten Politikfelder umfasst (Das Ergebnis kann man aktuell im Nachbarland Slowakei studieren: https://on.orf.at/video/14238441/15700280/slowakei-proteste-gegen-kulturpolitik-zib-700-vom-14082024).
Umso erfreulicher ist es, einzelne Akteurinnen auch in Österreich unermüdlich die kulturpolitische Trommel rühren und versuchen, unter Einsatz der eigenen Karriere das Thema auf der Tagesordnung zu halten.
So hat Fabian Burstein mit “Empowerment Kultur” ein weiteres Pamphlet zusammengestellt, das persönliche Erfahrungen, kritische Beobachtungen, strukturelle Überlegungen und wohlmeinende Ratschläge zu einem schnellen Mix zusammenführt.
Das Büchlein liest sich im Vergleich zu seinem Vorgänger “Eroberung des Elfenbeinturms” flüssiger, es legt eine Reihe von Wunden von Politik, Verwaltung, Betrieb und wissenschaftlicher Begleitung offen, argumentiert gut nachvollziehbar und lädt ein, den Bereich “Kultur” aus seiner selbstexilierenden Ausnahmeposition zu befreien und ähnlich ernst zu nehmen wie andere Politikfelder.
Das ist anregend und lesenswert. Im Grunde liest sich der Text als ein einziges Plädoyer, den Kulturbetrieb in seinen manageriellen Erfordenissen genau so zu behandeln wie alle anderen. Und ihn damit einzugliedern in eine staatlich koordinierte, auf ständige Optimierung gerichtete Verwertungslogik, zu der es keine Alternative mehr zu geben scheint. Das wird vor allem dort deutlich, wo Burstein in dasselbe Horn stößt wie all die von ihm zurecht kritisierten Beratungsunternehmen, die sich in kurzfristige Verbesserung versprechenden Empfehlungslisten ergehen, und sich doch nichts ändern wird.
Man könnte aber auch den Kulturbetrieb als ein gesellschaftliches Spiegelbild zu begreifen, in dem sich all die Fehlentwicklungen auf den Punkt kommen, wenn alle Kontrollinstanzen strukturell versagen (Jouralismus, Wissenschaft, Verwaltung, Politk). “Kultur” also als der Ort, wo der Kapitalismus unverhüllt sein wahres Gesicht zeigt, und das nicht nur bei den Salzburger Festspielen. Damit als ein Ort, an dem die Verwerfungen der Gesellschaft idaltypisch studiert und daraus gelernt werden kann.
In der jetzigen Konstellation braucht es offenbar schon eines geballten Fehlverhaltens aller führenden Beteiligten wie das rund um das Brucknerhaus Linz, bis öffentliche Aufmerksamkeit nicht mehr vermieden werden kann, weil die realen Wirkungen zu offensichtlich sind.
“Empowerment Kultur” ist keine systematische Analyse des Zustands der österreichischen Kulturpolitik. Aber in der Drastik mancher Beschreibung erzählt es mehr über den Zustand der
Gesellschaft als Ganzes als uns lieb sein kann.
Und dort setzt dann auch meine Kritik an Bursteins Kritik an, wenn er den Kulturbetrieb im Bestreben seines Empowerments noch einmal von den politischen Rahmenbedingungen zu entkoppeln versucht: Um zu suggerieren, der Kulturbetrieb könnte entlang seiner Empfehlungen noch einmal zu einer Avantgarde gesellschaftlicher Entwicklung werden.
Diese Erwartung aber ist in etwa so plausibel wie die Erwartung, eine Koalition der demokratischen Kräfte würde die Wahlen gewinnen und die FPÖ würde am 29. September unter ferne liefen durchs Ziel gehen..
Meine Hoffnung ist eine andere: Es gäbe ein paar Bursteins, die sich aus der Reserve trauen und bereit sind, zur Sache zu kommen. Und die Kultur-Politik in Österreich sähe anders aus.
Fabian Burstein betreibt auch einen empfehlenswerten Podcast. Hineinhören lohnt sich: https://www.fabianburstein.com/