Wimmer’s Kommentar
Michael Wimmer bezieht in seinen Kommentaren regelmäßig Stelllung zu den neuesten Entwicklungen in Kultur, Bildung und Politik.
Ergänzt werden diese durch eigene Begegnungen und Erlebnisse im Rahmen seiner Tätigkeit als Dozent, Autor und Berater.
27/02/2023
Landeskunstförderung und die Neugestaltung der ORF-Finanzierung
Wenn in diesen Tagen darüber diskutiert wird, die ORF-Finanzierung auf neue, haushaltsbasierte Füße zu stellen, dann tauchen immer wieder die “Landesabgaben” auf, die zusätzlich zum GIS-Entgelt bei den Nutzer*innen eingehoben werden.
Vielleicht sollten wir uns bei einer allfälligen Neuordnung daran erinnern, dass diese ihren Ursprung in der Phase der “autriakischen Restauration” des Staates zugunsten “guter Kunst” im Gegensatz von “schädlicher Unterhaltung” haben, die bis heute nachwirkt:
Demnach wurde das Medium des Fernsehens von den Kulturpolitikern der Nachkriegszeit als ein Ausdruck von “Unkultur” gesehen, die die “Kulturnation” tendenziell gefährden würde. Folglich galt es, die Nutzer*innen zu bestrafen. Also sollte eine zusätzliche Abgabe auf die Fernsehgebühren dafür sorgen, dass die Nutzer*innen zumindest indirekt dazu beitragen, “gute”, weil staatlich gewollte Kunst zu fördern.
Wenn also der Staat (in Gestalt eines konservativen Old-Boys-Network aus der Zwischenkriegszeit) schon nicht verhindern konnte, dass Menschen das Massenmedium Fernsehen nutzen, dann sollten diese doch dazu beitragen, dass anderswo “richtige” Kunst stattfinden kann, egal, ob diese von ihnen wahrgenommen wurde oder nicht. Der durch diese Zwangsmaßnahme lukrierte Betrag wurde im Verhältnis 70:30 zwischen Bund und Ländern aufgeteilt, und von Beiräten Maßnahmen zur Schaffung “guter Kunst” zugewiesen.
Diese kulturpolitische Geschichte antizipierend, sollte künftig auf Landesabgaben in einer Vielfaltsgesellschaft verzichtet und damit den staatlichen Anspruch der Unterscheidung in “gute” und “schlechte” Kunst endgültig ad acta gelegt werden. Und – wie im Regierungsprogramm festgelegt – öffentliche Finanzierungsfragen im Zuge der Neuverhandlungen der kulturpolitischen Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern (etwa im Rahmen des anstehenden Finanzausgleichs) neu geregelt werden.
Weil im 21. Jahrhundert das, was im Fernsehen passiert genau so Kunst sein kann wie das, wa außerhalb des Mediums künstlerisch verhandelt wird. Und die Nutzer*innen im Bezug auf ihr Verhältnis zu Kunst keiner sanktionierender Lenkung mehr bedürfen.
Dazu noch eine Erinnerung an eine andere Form der kulturpolitischen Umverteilung von der “schlechten” zur “guten” Kultur: Der Kulturgroschen
Nicht nur das Fernsehen sondern auch der Film war den Kulturpolitikern der Nachkriegszeit ein Dorn im Auge. Tendenziell als Teil des “Schmutzes und Schundes” denunziert (gegen den eigene gesetzliche Regelungen getroffen wurden: https://educult.at/wimmers-weekly/uber-ein-altes-gesetz-gegen-schmutz-und-schund-aus-dem-jahr-1950-und-was-davon-bis-heute-weiter-wirkt/ ) wurde der Film als ein gefährliches Verführungsmittel der Jugend angesehen, die mit ihren Kinobesuchen vom richtigen kulturellen Weg abgehalten werden könnten.
Also wurde auf jede Kinokarte eine die Besucher*innen bestrafende Zusatzsteuer in Form des “Kulturgroschens” aufgeschlagen. Der Erlös sollte die Fundamente des konservativen Kulturlandes Österreichs gegen ausändische, vor allem US-amerikanische Einflüsse verteidigen helfen:
Dazu der Auszug aus der gesetzlichen Regelung aus 1950:
1 6 . Verordnung des Bundesministeriums für Unterricht vom 14. Dezember 1950, womit die Höhe des Kulturbeitrages (Kultur-
groschen) auf Grund des Kulturgroschengesetzes festgesetzt wird.
Auf Grund des § 3 des Bundesgesetzes vom 13. Juli 1949, BGBl. Nr. 191 (Kulturgroschengesetz), wird mit Zustimmung des Hauptaus-
schusses des Nationalrates verordnet:
Der Kulturgroschen im Sinne des § 3 des Kulturgroschengesetzes beträgt ab 1. Februar 1951 bei jeder Kinokarte, deren Verkaufspreis
unter S 2’50 liegt, 10 Groschen; bei Kinokarten mit einem Verkaufspreis von S 2’50 bis S 4’49 beträgt der Kulturgroschen 20 Groschen; bei Kinokarten mit einem Verkaufspreis von S 4’50 und darüber 30 Groschen.