Wimmer’s Kommentar
Michael Wimmer bezieht in seinen Kommentaren regelmäßig Stelllung zu den neuesten Entwicklungen in Kultur, Bildung und Politik.
Ergänzt werden diese durch eigene Begegnungen und Erlebnisse im Rahmen seiner Tätigkeit als Dozent, Autor und Berater.
Transformation des Kulturbetriebs – Tut sich was? Es tut sich was, zumindest beim KulturMontag
Aus unterschiedlichen Blickwinkel hat der KulturMontag in einer Sondersendung die Krise des österreichischen Kulturbetriebs thematisiert. Nur zu verständlich, dass es vorrangig um das Ausbleiben des Publikums gegangen ist, immerhin gehen aktuelle Schätzungen davon aus, dass Veranstalter auf rund 40% ihrer Tickets sitzen bleiben. Warum, darüber lässt sich trefflich spekulieren, auch in dieser Sendung. Zumindest quantiativ Genaueres wird man hoffentlich im Laufe des Januar 2023 wissen, wenn erste Ergebnise einer Sora-Studie veröffentlicht werden sollen.
Zumindest zwischen den Bildern konnte man erfahren, dass es sich bei der Zurückhaltung des Publikums, das Angebot zu nutzen nur um ein Symptom einer viel tieferen Entfremdungserfahrung geht, die den Kulturbetrieb zwingt, bislang bewährte Strategien der Selbstbestätigung in Frage zu stellen.
Vera Allmanritter vom Institut für kulturelle Teilhabeforschung sprach von einer Beziehung zwischen Produzent*innen und Rezipient*innen, die da erkaltet sei. Ihr entgegen wurden immerhin eine Reihe von beispielhaften Vermittlungsprojekten entgegengesetzt, die andeuten, dass der Pflege dieser (wechselseitigen) Beziehung künftig wesentlich größere Bedeutung wird zukommen. Interessant die Befunde, die darauf hinauslaufen, dass sich Menschen thematisch sehr wohl interessieren und einbeziehen lassen, die ästhetische Umsetzung erst viel später an Bedeutung gewinnt.
Staatsskretärin Mayer erwies sich einmal mehr als wohlmeinende Kommentatorin, als solche verleitete sie den Moderator, das Kunst- und Kulturstaatssekretariat zu einer “Animationsmaschine” zu verklären. Auch nur Ansätze eines kulturpolitischen Plans, wie diese Krise für die Weiterentwicklung des Betriebs genutzt werden könnte, blieb sie schuldig:
Es werde ohnehin schon wieder besser mit den Besucher*innen-Zahlen; man soll nicht alles schlecht reden, weil “dann kämen die Leute ja wirklich nicht”. Dazu wolle sie sich in die Strategien der einzelnen Häuser nicht einmischen (und ich stelle mir vor, in anderen Geschäftsfeldern würden 40% der Kund*innen wegbrechen: Der Teufel wäre los und würde unmittelbar zu einer strategischen Neuausrichtung führen.)
Gegen Ende durfte der Kulturmanager Fabian Burstein mit seiner Streitschrift “Eroberung des Elfenbeinturms” in der er den Kulturbetrieb in toto als politisiert, machtgetrieben, streng hierachisiert, damit korrupt und dazu noch misogyn beschreibt. Die Redaktion brauchte offenbar noch einen Bösewicht; zustande kam ein skurriles Szenario, wenn seine Position des Bedarfs einer grundlegenden Neuausrichtung weitgehend unvermittelt allen anderen Beschönigungsversuchen des Weiter-so-nur-besser gestellt wurde. Was jetzt? Immerhin wurden konkrete Namen genannt.
Dass sich auch im kommerziellen Kultursektor die Situation als zunehmend dramatisch erweist, die Programmierung immer mehr auf einige wenige Superstars zuläuft und Festival-Tickets mittlerweile die 300 Euro Grenz überschreiten, damit sich das Ganze irgendwie rechnet, könnte uns zumindest nachdenklich machen.
Ich kann in diesem Zusammenhang nochmals drauf verweisen, dass ich gerade in der Wiener Zeitung einen Gastkommentar mit dem Titel: „Viel Angebot, wenig Nachfrage“ zur grassierenden Verunsicherung über das Publikumsverhalten veröffentlicht habe. Meine These: Es ist das eine, wenn Kultureinrichtungen weiter “ihr Ding” machen wollen und dabei den Verlust des Publikumsinsteresses beklagen. Und das andere, wahrzunehmen, dass rund um sie für immer mehr Menschen gerade eine Welt zusammenbricht.