Wimmer’s Kommentar
Michael Wimmer bezieht in seinen Kommentaren regelmäßig Stelllung zu den neuesten Entwicklungen in Kultur, Bildung und Politik.
Ergänzt werden diese durch eigene Begegnungen und Erlebnisse im Rahmen seiner Tätigkeit als Dozent, Autor und Berater.
Wenn das Fördersystem zurückschlägt
Der Ausbau der Kunst- und Kulturförderung in Österreich seit den 1970er Jahren gehört zu den großen kulturpolitischen Erfolgsgeschichten. Sukzessive wurden immer weitere Bereiche des Kulturbetriebs erfasst und mehr oder weniger maßgeschneiderte Förderinstrumente entwickelt. Daran ändere auch der Umstand wenig, dass sich dabei an den Prioritätensetzungen nur wenig geändert hat und die wenigen großen, gesetzlich verankerten Tanker in all den Jahren mit dem Gros der Fördermittel bedacht wurden, während der immer größere Rest mit bescheidenen Mitteln auskommen musste.
Am Anfang des Ausbaus stand der kulturpolitische Wille, mit bislang abseits stehenden Einzelkämpferinnen und Initiativen einen Deal einzugehen, der darin bestehen sollte, deren (kultur-)politisches Engagement für das Aufbrechen erstarrter Strukturen innerhalb des Kulturbetriebs zu nutzen, dessen Wirkungen früher oder später auch auf die ganze Gesellschaft ausstrahlen sollte. Dies war wohl damals das Hauptmotiv der konservativen Kräfte, sich dagegen auszusprechen und vor einer neuen Abhängigkeit der Künstler*innen vom Staat zu warnen: In Wahrheit fürchteten sie sich vor einer neuen Allianz eines fortschrittlichen Kulturbetriebs mit den politischen Reformkräften.
Es ist anders gekommen. Staatliche Kulturpolitik hat ihren Anspruch aufgegeben, eine Allianz mit dem Kulturbetrieb zur weiteren Reform der Gesellschaft einzugehen. Auch wenn manche Sonntagsreden das Gegenteil behaupten. Daran ändern die neuen Auflagen bei der Förderung in Sachen Nachhaltigkeit oder Diversität nur wenig. Auch der Wille, sukzessive eine Umverteilung der Fördermittel zwischen etabliertem Kulturbetrieb und neuen Kräften herzustellen, hat sich in Luft aufgelöst: Die Großen bekommen weiterhin viel, die Kleinen wenig oder garnichts.
Auffallend aber ist, dass Kulturpolitik zunehmewnd in einen vordemokratischen Modus zurückfällt, in dem die Freude am „Gewähren“ und „Ermessen“ neue Urstände feiert. Seine Entsprechung findet diese obrigkeitliche Haltung in einem zunehmend apolitischen kulturellen Feld: Auch hier hat sich ganz offensichtlich ein neuer Autoritarismus breit gemacht, der immer weniger die eigene Initiative zum Maßstab des Handels macht sondern die Akteur*innen warten und hoffen lässt, staatliche Kulturpolitik würde es schon richten.
Diese Form der Rekonstruktion überkommender Hierarchien zwischen Fördergebern und Fördernehmern bestätigt nicht nur die konservativen Kritiker*innen von einst. Sie knebelt auch die Kraft des Kulturbetriebs, der sich wider besseren Wissens noch einmal in eine einseitige Abhängigkeit begibt, in der der Schaden allemal mehr wiegt als der Nutzen. Alle Beteiligten wissen, dass in der gegenwärtigen Regierungs-Konstellation keine handlungsleitenden kultur-politischen Perspektiven zu erwarten sind, die über Bestandsinteressen hinausweisen. Da kommt kein Heil mehr von oben. Und Warten auf staatliche Vorgaben erscheint mehr denn je eine mehr als unsichere Überlebensstrategie.
Will der Kulturbetrieb aber noch einmal gesellschaftliche Relevanz erlangen, dann wird er nicht drum herum kommen, das kulturpolitische Heft selbst in die Hand zu nehmen und – zusammen mit anderen fortschrittlichen Kräften – selbst an Perspektiven zu arbeiten, die über den Tellerrand der eigenen Bestandsinteressen hinausweist. Die Gesellschaft wird es ihm danken – nicht nur mit der Zunahme an Besucher*innen-Zahlen.