Wimmer’s Kommentar
Michael Wimmer bezieht in seinen Kommentaren regelmäßig Stelllung zu den neuesten Entwicklungen in Kultur, Bildung und Politik.
Ergänzt werden diese durch eigene Begegnungen und Erlebnisse im Rahmen seiner Tätigkeit als Dozent, Autor und Berater.
Theater in der Krise? Da reden zwei, als säßen sie jeweils auf einem anderen Stern.
Theater in der Krise?: Da reden zwei, als säßen sie auf jeweils einem anderen Stern.
Während die Wiener Kulturstadträtin Veronika Kaup-Hasler von einer weitgehenden Wiederherstellung des Theaterbetriebs spricht (“Dass das vielfältige Angebot dieser Stadt wieder mit steigenden Besucherzahlen belohnt wird….”) ortet Fabian Burstein einen Theaterbetrieb, der von “Long Covid” befallen sei.
Geht es nach ihm, dann sei vor allem ein junges, aufgeklärtes Publikum vom “Repräsentationsbehabe der klassischen Theatertanker im besten Fall gelangweilt und im schlimmsten Fall angewidert”. Theater sei der Generation Z – zumindest ein bisschen – zum Hans-Moser-Film geworden. Das hat was.
Sein Lösungsvorschlag: Klarere Vorgaben einer Kulturpolitik in Form der stärkeren Einbindung von Gremien wie Aufsichtsräte und Kulturausschüsse mit dem Ergebnis besserer Abstimmung, inhaltlicher Verzahnung und diversifizierter Zielgruppenansprache.
Und ich sehe schon den Amtsschimmel wiehern, der sich längst in Adornos Sager: “Kulturpolitik ist Vewaltung” wohlig eingerichtet hat.
Anhand der beiden “unkommensurablen” Texte könnte man zum Eindruck kommen, dass da von ganz unterschiedlichen Zugängen auf ein und dasselbe Phänomen gesprochen wird. Und damit das Wissen vermeidet, das wir es längst mit dem Auseinanderbrechen der Gesellschaft in voneinander weitgehend unabhängige Teile zu tun haben, die sich jeweils ein unterschiedliches kulturelles Kleid angezogen haben.
Damit liegt die Gefährlichkeit (und/oder Belanglosigkeit) der Behauptung, noch einmal für ein Ganzes zu sprechen zu können (freilich ohne aneinander interessiert zu sein) in der Unfähigkeit, diese noch einmal auf ein gesamtgesellschaftsstiftendes ideologisches Konzept rückbeziehen zu können, das längst in seine “identitären” Teile zerfallen ist.
Mit dem Ergebnis, dass die eine alles wunderbar findet. Und der andere alles furchtbar. Und beide recht haben können, wenn sie aufhören, dieses vermeintliche Ganze (das es real so nie gegeben hat, außer in Gestalt eines machtbesetzten kulturellen Hegemonieanspruchs eines Teils des Kulturbetriebs. da hilft auch nicht immer wieder neu ins spiel gebrachte Taxifahrer nichts, der bei Vorbeifahren mit seinem Fahrgast den jüngsten Burgtheater-Direktionswechsel zu verhandeln weiß) ) zu strapazieren, das es so nicht mehr gibt.
Und so auch nicht “das Theater”, das sich längst in ganz unterschiedliche Ausprägungen ausdifferenziert hat. Um unter ebenso unterschiedlichen, von der herrschenden Kulturpolitik begünstigten Voraussetzungen um Relevanz bei ihren jeweiligen Publika zu ringen.
Meine Empfehlung: Genauer hinschauen; das ist das kulturpolitische Gebot der Stunde!
Um dann von einer Phase des Redens in eine Phase des Umverteilens überzuwechseln.
https://www.derstandard.at/story/2000142003964/fuer-und-widerstecken-die-theater-in-der-krise