Wimmer’s Kommentar
Michael Wimmer bezieht in seinen Kommentaren regelmäßig Stelllung zu den neuesten Entwicklungen in Kultur, Bildung und Politik.
Ergänzt werden diese durch eigene Begegnungen und Erlebnisse im Rahmen seiner Tätigkeit als Dozent, Autor und Berater.
Milo Rau wird neuer Intendant der Wiener Festwochen
Jetzt ist die Zeit, sich über den neuen Festwochenintendanten Milo Rau zu freuen.
Und so lese ich die vielen medialen Reaktionen auf die Ankündigung der Wiener Kulturstadträtin, die in ihrer großen Mehrheit einen neuen Messias eines krisengeschüttelten Kulturbetriebs heraufkommen sehen.
Stutzig machen mich zwei Dinge: Zum einen die Bemerkung im Standard, dass das Wiener Rathaus anlässlich der Bestellung des Theatermachers keine konkreten Zielvorstellungen für die Zukunft des Festivals genannt hat. Außer, so Kaup-Hasler, dass es notwendig sein wird, mehr Publikum zu generieren: “Dass wir eine Steigerung wollen, ist klar. Es geht um das Erreichen einer breiten Öfrentlichkeit, eine Gegenstrategie gegen Long Covid in diesem Bereich”. Qualitativ hat die Stadt offenbar jeglichen kulturpolitischen Kompass verloren. Personenkult schlägt Zielevereinbarung.
Was schon zur Vermutung führen könnte, dass der Wiener Kulturpolitik das Wasser schon ziemlich bis zum Hals stehen muss, um sich mit der Entscheidung für Rau noch einmal völlig der Lichtgestalt einer singulären Erscheinung anzuvertrauen (als eine Art “Anti-Kurz”, wenn wir uns erinnern, wie verhängnisvoll das sein kann, alles auf die Karte einer Person zu setzen).
Und der zweite Vorbehalt betrifft der flapige Sager Raus anlässlich seiner Bestellung, “wonach das Publikum immer recht haben würde”. Das klingt demokratisch, hat aber mit den Realitäten einer (kulturellen) Öffentlichkeit nichts zu tun, deren einzige Gemeinsamkeit darin besteht, dass ei sich im Zuge ihres Auseinanderbrechens zu 95% aus Nichtbesucher*innen (nicht nur der Wiener Festwochen) zusammensetzt. Ginge es nach diesen, dann käme Rau in erster Linie die Aufgabe zu, das Festival – der Mehrheitsmeinung entsprechend – zu entsorgen.
Die Alternative, um die Rau nicht herumkommen wird, ist also nicht dem Publikum recht zu geben, sondern um Akzeptanz in den unterschiedlichen Szenen zu kämpfen, diese herauszufordern, in Auseinandersetzung mit ihnen zu treten, diese zu überzeugen. Schlicht neugierig auf diese zu sein und etwas mit ihnen zu tun zu bekommen.
Auf dass nichts so bleibt wie es ist, quantiativ u n d qualitativ – auch kultur-politisch. Dazu wünsche ich gutes Gelingen!