Wimmer’s Kommentar
Michael Wimmer bezieht in seinen Kommentaren regelmäßig Stelllung zu den neuesten Entwicklungen in Kultur, Bildung und Politik.
Ergänzt werden diese durch eigene Begegnungen und Erlebnisse im Rahmen seiner Tätigkeit als Dozent, Autor und Berater.
Der Krieg, die Kunst und die Freiheit
Mit der Entscheidung, Oksana Lyniv und das Kyiv Symphonie Orchestra zusammen mit Teodor Currentzis und dem SWR-Symphonieorchesters bei einem “Antikriegsprogramm” auftreten hat der neue Indentant der Wiener Festwochen Milo Rauch einen veritablen Bauchfleck hingelegt.
Nach Protesten der Ukrainerin Oksana Lyniv, die sich nicht mit Currentzis vermarktet sehen wollte sah sich Rau gezwungen, Teodor Currentzis wieder auszuladen ( https://www.swr.de/swraktuell/wiener-festwochen-laden-currentzis-mit-swr-symphonieorchester-aus-100.html ).
Currentzis ist ein herausragender Dirigent unserer Zeit. Zugleich ist hinlänglich bekannt, dass “sein” Orchester” Musica Aeaterna von dem russischen Regime nahen Interessen finanziert wird und er sich anhaltend weigert, zum russischen Angriffskrieg gegen eine souveräne Ukraine Stellung zu beziehen ( https://crescendo.de/ein-lied-fuer-russlands-soldaten/ ).
Milo Rau, der mit gesellschaftskritischen Regiearbeiten Aufmerksamkeit erregt, ist gleich zu Beginn seiner Intandanz offenbar seinem eigenen Klischee in die Falle gegangen: Er wollte den Beteiligten Glauben machen, es wäre die Ausübung von Kunst, die per se zu Frieden und Völkerverständigung beitragen würde.
Tut sie nicht. Weil Kunst nicht jenseits der gesellschaftlichen Realitäten stattfindet. Sondern ein Teil davon ist. Um all die Konflikte widerspiegelt, denen wir alle, damit auch Künstler*innen und ihre Manager*innen ausgesetzt sind.
Wenn wir aber genauer hinschauen, dann wirft uns der Konflikt auf das zurück, was Kunst wirklich ausmacht: auf die Ahnung von Freiheit und damit die menschliche Fähigkeit zu entscheiden:
In diesem Fall, darüber, Musik zu machen und über Kriegsverbrechen zu schweigen. Oder darüber zu reden und dafür schlechtere Produktionsbedingungen in Kauf zu nehmen.