Wimmer’s Kommentar
Michael Wimmer bezieht in seinen Kommentaren regelmäßig Stelllung zu den neuesten Entwicklungen in Kultur, Bildung und Politik.
Ergänzt werden diese durch eigene Begegnungen und Erlebnisse im Rahmen seiner Tätigkeit als Dozent, Autor und Berater.
Der letzte kulturpolitische Romantiker: Rudolf Scholten
In seinem Pocast “Bühneneingang – Kultur von innen” ( https://www.podcast.de/episode/642432370/08-im-maschinenraum-der-kulturpolitik-mit-rudolf-scholten ) hatte Fabian Burstein zuletzt den Kunstminister Rudolf Scholten der 1990er Jahre zu Gast.
Ebenso einnehmend wie aus der Zeit gefallen gab Scholten Einblick in sein kulturpolitisches Selbstverständnis. Dabei relativierte er all die betriebswirtschaftlichen Hoffnungen, die seither drauf abstellen, mittels transparenter Verfahren, quantifizierbarer Kennzahlen, vertraglicher Vorgaben oder Commitments die Qualität kulturpolitischer Entscheidungen zu verbessern.
Um am Ende seiner gedanklichen Ausflüge beim Menschen und seiner Fähigkeit intuitiver Entscheidungsfindung zu gelangen: “Als Menschen mit Erfahrung spüren wir doch einfach – ganz ähnlich wie in unseren höchst persönlichen Beziehungen – ob eine kulturpolitische Entscheidung richtig ist oder nicht richtig ist”.
Das wirkte einmal mehr rundum sympathisch. Und musste doch alle, die sich darum bemühen, Kulturpolitik a la longue wie alle anderen Politikfelder auf eine evidenzbasierte, zielorientierte und transparente Basis zu stellen, in der Hoffnung, ihre Position damit zu stärken, frustrieren.
Drei Dinge sagte Scholten nicht:
Erstens, dass er in seiner ganz persönlichen Charakteristik als kunstaffiner Zeitgenosse in seinem Amt alle Voraussetzungen mitbrachte, um seine Intuition wirken zu lassen (Zumal wir ja Beispiele zur Genüge kennen, wenn der Bedeutung von Kunst weniger verpflichtete Kulturpolitiker*innen sich auf den gesunden Menschenverstand berufen)
Zweitens, dass er dafür die Rückendeckung eines Bundeskanzlers Franz Vranitzky verfügte, der ihm auch ohne über den entsprechenden politischen Stallgeruch den Freiraum schuf, seine Stärken auszuspielen.
Und drittens, dass es ihm damit gelang, die Volumina der Kunstförderung samt der Erstellung einer Reihe neuer Fördermaßnahmen (Bundeskurator*nnen,….) signifikant zu erhöhen, um sich so in weiten Teilen der begünstigten Szene (nicht beim politischen Gegner, soiehe die Plakataktion der FPÖ) als unangezweifelte Lichtgestalt zu positionieren.
Was aber Scholten sagte, das war die Einsicht, in einer anderen Zeit aktiv gewesen zu sein. Und er hat recht, wenn er bislang zun letzten Mal in einem Zeitfenster agiert hat, in dem der Kulturbetrieb in seinen Ansprüchen politisch anders behandelt werden durfte als als Betriebsmittel neoliberalen Wirtschaftens.
Weil das die Politik mehrheitlich so wollte.