Wimmer’s Kommentar
Michael Wimmer bezieht in seinen Kommentaren regelmäßig Stelllung zu den neuesten Entwicklungen in Kultur, Bildung und Politik.
Ergänzt werden diese durch eigene Begegnungen und Erlebnisse im Rahmen seiner Tätigkeit als Dozent, Autor und Berater.
Musical in Wien
Was schrieben Musikkritikerinnen, würde in Wien eine neue Opern- oder Theaterbühne eröffnet?
Wird eine neue Musicalbühne geplant, dann ist offenbar Feuer am Dach. Und ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, hier würde nochmals ein Kulturkampf der 1950er Jahre in Szene gesetzt, in dem gute Kunst gegen schlechte, weil die einfachen Leute unterhaltende antritt.
Also vergisst der Standard-Kolumnist Ljubiša Tošić nicht darauf zu erwähnen, dass bei der Präsentation des neuen Musical-Hauses am Eingang des Praters die amtsführende Kulturstadträtin erst gar nicht aufgekreuzt wäre. Es sich also garnicht um Kultur handle, die da vorgeführt werden soll. Adorno und sein Verdikt gegen Massenkultur lässt grüßen.
Man muss kein Freund des Musicals sein um anzuerkennen, dass viele Menschen gern Musicals besuchen. Und darin eine ihnen entsprechende kulturelle Ausdrucksform finden. Dass die Stadt Wien diesem Bedürfnis Rechnung trägt, halte ich für legitim. Ob sich die Geschichte auch rechnet, das steht auf einem anderen Blatt. Diese Frage könnten wir aber auch an so manch etablierten Hochkulturtempel richten. Und dabei vergessen, dass deren in der Regel wohlbetuchten Nutzerinnen wesentlich üppigere staatliche Förderung erfahren als das Musical-Publikum.
Zumal in einer Vielfaltsgesellschaft, in dem wir aufhören können, auf kulturellen Hierarchien herumzuturnen und dabei den eigenen ästhetischen Geschmack den anderen zu oktroyieren.
Da haben wir mittlerweile wirklich andere Sorgen.
https://www.derstandard.at/story/3000000250127/stellt-sich-die-stadt-wien-mit-noch-mehr-musical-selbst-ein-bein