Wimmer’s Kommentar
Michael Wimmer bezieht in seinen Kommentaren regelmäßig Stelllung zu den neuesten Entwicklungen in Kultur, Bildung und Politik.
Ergänzt werden diese durch eigene Begegnungen und Erlebnisse im Rahmen seiner Tätigkeit als Dozent, Autor und Berater.
Was wir von einer FPÖ-geführten Kulturpolitik erwarten können.
Die FPÖ war zweifellos die treibende kulturpolitische Kraft der letzten Jahre. Vor allem mit ihren sprach-, bildungs-, migrations-, medien- oder sozialpolitischen Positionen hat diese rechtsextreme Partei das kulturelle Klima in Richtung, Entzivilisierung, Entsolidarisierung und Reprovinzialisierung nachhaltig verändert. Noch finden sich in ihren Reihen keine profunden Akteur*innen des Kulturbetriebs; ihr Verhältnis zu Künstler*innen ist vor allem durch Misstrauen und Ignoranz geprägt; ein freiheitlicher Joseph Goebbels ist (noch) nicht in Sicht. In den vergangenen Koalitionen zwischen ÖVP und FPÖ blieb die Zuständigkeit für Kulturpolitik jeweils bei der ÖVP, die sich in erster Runde mit Franz Morak in Revanchismus und Technologisierung übte, während der Ressortverantwortliche unter türkis-blau Gernot Blümel ein fast schon demonstratives Desinteresse an kulturellen Angelegenheiten an den Tag gelegt hat.
Die schwarz-grüne Kulturpolitik hat bei aller erfreulichen Budgeterhöhung eine weitgehende Entpolitisierung des Kulturbetriebs befördert, um sich auf Fragen der beruflichen Realisierung zu beschränken (Fair Pay, Antidiskriminierung,…) Seine AkteurInnen waren gehalten, sich in Ermangelung eines (gesellschafts-)politischen Backings zunehmend darauf zu beschränken, ihren Erfolg auf den wuchernden Freizeitmärkten zu bemessen. An diesem Befund des allgemeinen Bedeutungsverlustes des Kulturbetriebs ändert auch das politische Engagement einzelner Künstler*innen nur wenig.
Die Wochenzeitschrift Falter hat zuletzt recherchiert, was der Kulturbetrieb von einer blauen Kulturpolitik zu erwarten hat. Dazu haben Lina Paulitsch und Matthias Dusini mit mir ein Gespräch geführt ( https://www.falter.at/zeitung/20250114/rechtswalzer-ins-ungewisse ), das ich hier noch einmal zusammenfassen möchte:
In der aktuellen Verunsicherung, wie die FPÖ gedenkt, mit Künstler*innen bzw. mit dem Kulturbetrieb umzugehen, hilft ein Blick in die aktuellen Parteiprogramme. Sie vermitteln ebenso genuin liberale Ansprüche zur Freiheit der Kunst samt der Anerkennung der weltweiten Bedeutung ausgewählter Akteur*innen wie ressentimentgeladene Verhöhnungen einzelner namentlicher Initiativen wie die Wiener Festwochen oder dem European Song Contest. Insgesamt lässt sich ein Trend zur Retraditionalisierung und geistigen Verengung herauslesen, wenn vor allem Kunst gefördert werden soll, die von Können kommt, Volkskultur (mit entsprechenden Blut- und Boden Assoziationen) einen herausragenden Stellenwert erfährt und insbesondere Initiativen des kulturellen Erbes hervorgehoben werden.
Darauf aufbauend ergeben sich insgesamt fünf Szenarien, die mit ihren unterschiedlichen Zielausrichtungen und Schwerpunktsetzungen wohl die künftige Kulturpolitik bestimmen werden.
Szenario I: Vieles bleibt wie es ist – zumindest füs Erste
In dieser kulturpolitischen Ausrichtung vermeidet die FPÖ Kontroversen in Bereichen, von denen sie nichts versteht. Da es im Bereich der Förderungen insgesamt um Peanuts geht, wird sich die die Partei bei ihren Konsolidierungsversuchen nicht ausgerechnet nicht in dieses Wespennest setzen wollen, um wesentliche Kräfte zu binden. Ihre kulturpolitischen Akteur*innen werden sich – jedenfalls in einem ersten Schritt – mit moderaten Veränderungen begnügen; dazu könnten sie dem Beispiel der Steiermark folgen, wo Kompetenzen zwischen Hoch- und Volkskultur zwischen den Koalitionären geteilt wurden, um die jeweilige Klientel ruhig zu halten. Gefahr droht vor allem in einer Schere im Kopf, wenn zumindest Teile der Kunst- und Kulturadministration in vorauseilendem Gehorsam versuchen werden, ein FPÖ-konformes Österreich-Bild entwerfen und ihre Entscheidungen daran messen. Ein radikaler Personalwechsel zugunsten politisch willfähriger Leitungen wie in Ungarn, Polen oder der Slowakei ist auf Grund bestehender rechtlicher- und vertraglicher Bindungen in Österreich schwerer zu bewerkstelligen.
Szenario II: Der Kulturbetrieb als Versuchsfeld des Sparkurses
Um der eigenen Klientel zu zeigen, dass sie in der Lage ist, sich gegen eine „linksversiffte Elite“ durchzusetzen, legt es die FPÖ darauf an, den informellen Vertrag zwischen Staat und Kulturbetrieb zur Aufrechterhaltung der Schutzglocke für einen vielfältigen Kulturbetrieb zu brechen. Mithilfe massiver Kürzungen vor allem im freien Bereich wird der Kultur der Boden für einen allfälligen politischen Widerstand entzogen und missliebige Akteur**innen mundtot gemacht. Dazu gehören auch symbolische Gefechte mit einzelnen „Staatskünstlerinnen“, um sie dem Spott ihres Elektorats preiszugeben. Willfährige Akteur*innen hingegen werden als mediale Propagandamittel genutzt.
Szenario III: Technologisierung der Kultur
Die FPÖ trägt dem Umstand Rechnung, dass die Logik der Kunst- und Kulturförderungen aus den 1970er Jahren stammt und in weiten Teilen heute nicht mehr zeitgemäß erscheint. Sie setzt auf Evaluierung nicht nur – wie im Programm festgeschrieben – des Verhaltens von Künstler*innen gegenüber Corona-Maßnahmen-Kritiker*innen sondern der gesamten Betriebsstruktur, um so einen staatlichen Kunstbegriff auf der Höhe der technologischen Kultur (geändertes Nutzer*innen-Verhalten, Digitalisierung, KI,…) zu etablieren. Ein Versuch, an dem die scheidende Rektorin der Angewandten Petra Schaper Rinkel gerade gescheitert ist. In Ermangelung entsprechendem Fachpersonals und der traditionellen Rückwärtsgewandheit dieser nur namentlich liberalen Partei ist dieses Szenario nicht sehr wahrscheinlich
Szenario IV: Regionalisierung
Eine vermeintlich elegante Form, sich ihres missliebigen kulturpolitischen Auftrags zu entledigen wäre eine Neuaushandlung des Verhältnisses von Bund- und Länderzuständigkeiten. In dem Zusammenhang spricht vieles dafür, sich auf einige wenige prestigeträchtige Tanker samt volkskultureller Verbrämung zu konzentrierten und sich zugleich weiter Teile der Ermessensausgaben vor allem für den freien Bereich zu entledigen bzw. an die Länder, die gern auf ihre „Kulturhoheit“ pochen, weiter zu reichen. Dies könnte freilich die aktuell nach außen getragene Harmonie zwischen Bundes- und Länder-FPÖ-Strukturen in Frage stellen, deren fünf Landesorganisationen in Regierungsverantwortung sich gegen zusätzliche Belastungen ohne entsprechende Kompensationsleistungen wehren könnten
Szenario V: Privatisierung
In diesem Szenario erinnert sich die FPÖ ihrer radikal liberalen Herkunft und beendet in einer Neuinterpretation des Bundeskunstförderungsgesetzes den Auftrag des Staates, Kunst und Kultur zu fördern. Bis auf wenige, in der Verfassung festgeschriebene Zuständigkeiten erklärt die FPÖ Kunst und Kultur zur Privatangelegenheit und überlässt ihre Realisierung den Marktkräften. Und kann dabei zusehen, wie es ihre erklärten Gegner zwischen Angebot und Nachfrage zerreißt.
Geht es nach Beispielen aus der Vergangenheit und wohl auch nach solchen in den autoritär regierten Nachbarländern dann könnte die FPÖ versucht sein, rasch Tatsachen zu schaffen und damit auch den Kulturbetrieb nachhaltig ideologisch zuzurichten. Wahrscheinlicher aber ist, es in einem ersten Schritt demokratische Normalität zu suggerieren. Danach könnte es leichter sein, die Pflöcke für eine Dritte Republik auch kulturell einzuschlagen. Diesbezügliche politisch-strategische Überlegungen in der Parteizentrale werden darüber entscheiden, welches Szenario zum Tragen kommt.
Die aktuellen medienpolitischen Kontroversen (https://www.derstandard.at/story/30T0000253197/die-fpoe-ist-die-groesste-bedrohung-der-medienfreiheit-in-der-zweiten-republik) zeigen jedenfalls eindeutig, wohin die Reise geht.
Was das für den Kulturbetrieb bedeutet? Eine Option ist es, die neuen politischen Realitäten einfach nicht zur Kenntnis zu nehmen, zu versuchen, durchzutauchen und darauf zu hoffen, dass der Spuk irgendwann ein Ende nehmen wird. Eine andere ist es, darauf zu vertrauen, dass auch diesmal die ÖVP die Kunst- und Kulturagenden übernimmt und darüber hinaus die Interessensvertreterinnen darin zu stärken, mit Gutmeinenden aus der FPÖ zu Deals zu kommen.
Die einzig wirksame Option aber besteht in einer Repolitisierung auch des Kunst- Betriebs. Die Bereitschaft, sich als politischer Akteur zu begreifen, wird darüber mitentscheiden, ob die Mehrheit in Österreich sich mit dem Verlust demokratischer Grundwerte abfindet. Oder aber bereit ist, das demokratisch verfasste Gemeinwesen mit neuem kulturellen Leben zu erfüllen.