Wimmer’s Comment
Michael Wimmer regularly comments on the latest developments in culture, education and politics in his german commentaries. These are complemented by his own encounters and experiences as a lecturer, author and consultant.
Was ist der Unterschied zwischen österreichischen und deutschen Zugängen zur Kulturpolitik?
Ich hab in meinem Leben viele kulturpolitische Fachveranstaltungen besucht, manche habe ich selbst ausgerichtet (wie zuletzt “Unsere Kultur geht auf keine Kuhhaut”).
Der auffallendste Unterschied in der Zusammensetzung (und damit der Qualität der Auseinandersetzung) bestand für mich darin, dass ich in deutschen Settings immer wieder auf eine Vielzahl interessierter, kundiger und in der Sache beschlagener Kultpolitiker*innen getroffen bin. Die meisten von ihnen schienen auf die Gelegenheit zu warten, mit Theoretiker*innen und Praktiker*innen des Kulturbetriebs ins Gespräch zu kommen und neugierig auf ihre Haltungen und Positionen zu reagieren.
Im Vergleich dazu stellte die Anwesenheit von für die Kultur verantwortlicher Politiker*innen in Österreich die große Ausnahme dar. Auf Einladung ließen sie sich immer entschuldigen. Und wenn doch welche aufkreuzten, dann beschränkten sie sich ihre Auftritte auf vorgefasste Redebeiträge und vermieden es tunlichst, sich auf fachliche Gespräche mit den Fachleuten einzulassen.
Fabian Burstein, der gerade eine vehemente Streitschrift mit dem Titel “Eroberung des Elfenbeinturms” herausgebracht hat, verfügt als Kulturmanager über beiderlei Sichtweisen. In seinem Pamphlet bestätigt er mich entlang einer Vielzahl ganz konkreter Namen in der Annahme, dass in Deutschland Kulturpolitiker*innen mittlerweile auf Grund ihrer fachlichen Qualifikation in ihre Ämter gestellt werden. Als solche wissen sie also, wovon sie reden und brauchen das Gespräch mit den anderen Akteur*innengruppen im Kulturbereich nicht zu scheuen.
In Österreich hingegen zählen ungebrochen nicht das Fachwissen, sondern (partei-)politische Loyalitäten als die entscheidenden Auswahl-Kriterien. Entsprechend wissen die Bestellten nicht, wovon sie reden. Sie verstehen sich in erster Linie als parteipolitische Platzhalter, um das auszuführen, was parteipolitisch von oben vorgegeben als opportun erscheint. Als solche fürchten sie sich vor ergebnisoffenen Gesprächen mit einem fachlichen Gegenüber, umso mehr, wenn dieses nicht dieselbe politische Loyalität aufweist.
Man muss nicht so weit gehen wie Robert Menasse, der in seinem letzten Roman “Die Hauptstadt” die politische und bürokratische Befassung mit kulturpolitischen Angelegenheiten als eine Strafaktion darstellt, die Bewerber*innen nur dann annehmen, wenn ihnen wirklich alle anderen Ressorts versperrt sind.
Eine Art nicht nach oben, sondern nach unten offenes “Merit Order Prinzip”: Der Stellenwert kulturpolitischer Positionen richtet sich nach dem am schlechtesten Qualifizierten. Weil der*die in Ermangelung fachlicher Kenntnisse am wenigsten droht, eine eigene, sachlich begründete Haltung einzubringen und am meisten von Loyalitätsbeziehungen abhängt.
Und so schaut sie dann aus, die Kulturpolitik in Österreich. Und wir verstehen bestens, warum der österreichische Kulturbetrieb mit seinen narzisstisch selbstbezogenen Akteur*innen so aussieht, wie er aussieht. Und warum sich daran so schnell nichts ändern wird, selbst wenn dem Kulturbetrieb mittlerweile das Wasser bis zum Hals steht (was jetzt sogar schon im Kultursender Ö1 nicht mehr wegschamottiert werden kann:
Eine ausführlichere Kritik von Bursteins “Eroberung des Elfenbeinturms” folgt.