Wimmer’s Comment
Michael Wimmer regularly comments on the latest developments in culture, education and politics in his german commentaries. These are complemented by his own encounters and experiences as a lecturer, author and consultant.
Fokus Publikum. Eine Veranstaltung des oö. Landeskulturreferenten Thomas Stelzer und der Kunststaatssekretärin Andre Mayer. Ein Ärgernis.
Man könnte meinen, wenn sich mehrere hundert Menschen aus dem Kulturbereich in diesen Tagen versammeln, dann würde sich der Steinsaal des oö. Landhauses – ungeachtet der vorgebenen Themenstellung – rasch in einen Ort der aufgeregt-lebendigen, vielfältigen ja auch kontroversen Diskussion über das, was uns alle in diesen Tagen ganz intensiv beschäftigt verwandeln: Krieg am Rand Europas, Diversität und demographischer Wandel, soziale Ungleichheit, weltweiter Aufstieg der autoritären Rechten samt erwartbarer Regierungsbeteiligung der Rechtsradikalen in Österreich, AI und Digitalisierung der Gesellschaft, Inflation, Wirtschafts- und Klimakrise und vieles mehr, was die “Menschen draußen” ganz existentiell umtreibt. Und das gravierende Auswirkungen auch auf den Kulturbetrieb (samt dramatischer Veränderungen des Publikumsverhaltens) haben wird bw. längst hat.
Fehlanzeige. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass der staatlich alimentierte Kulturbetrieb zur Zeit nichts zu den aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen zu sagen hat, dann war die Veranstaltung “Fokus Publikum” ein beeindruckender Beleg dafür ( https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20231128_OTS0066/bmkoes-und-land-oberoesterreich-diskutierten-bei-fokus-publikum ), die vom Land Oberösterreich und dem Kunststaatssekretariat ausgerichtet worden war.
In einem völlig überkommenen frontalen Setting, das engagierte junge Menschen per se ausschließt wurde das “Publikum” über Stunden bis zur Erschöpfung zugedröhnt von der Präsentation einzelner Initiativen, den Erfolgsgeschichten des oö. Kulturreferenten Thomas Stelzer und der Kunst- und Kulturstadträtin Andrea Mayer (die in ihrer Selbstbestätigungsrhetorik beide kaum etwas zu neuen und konkreten Publikumsstrategien zu sagen hatten) sowie der Präsentation der beiden Großereignisse 2024 in Oberösterreich: dem Bruckner-Jahr und der Kulturhauptstadt Bad Ischl/Salzkammergut durch Norbert Trawöger und Elisabeth Schweeger (die als einzige wenigstens in Ansätzen hör- und anschaulich machen konnten, dass sich über “Kultur” auch ganz anders reden ließe).
Ja, und dann, ganz am Ende durften die verbliebenen Anwesenden noch ihr Leid klagen bzw. noch ein paar Alibifragen stellen.
Als Staffage für die eigentliche Absicht der Veranstalter, den Sektor ruhig zu stellen. Weil sie an ihm als gesellschaftspolitische Triebkraft überhaupt kein Interesse haben und sich statt dessen auf Selbstinszenierung ihrer selbst und derer, die sich dankbar präsentieren dürfen beschränken.
Kein Wunder, dass angesichts dieser Form der Selbstaufgabe des Kulturbetriebs die Freiheitlichen längst die kulturpolitische Agenda übernommen haben.
Sie wissen immerhin, wie es geht, das “Publikum” zu animieren und auf ihre Seite zuziehen.