Wimmer’s Comment
Michael Wimmer regularly comments on the latest developments in culture, education and politics in his german commentaries. These are complemented by his own encounters and experiences as a lecturer, author and consultant.
09/07/2024
“crowning” von Esther Strauß: Wut auf Kunst -Angst vorm Leben
Keine Frage. Beim Kopf-Absägen der Marien-Darstellung von Esther Strauß im Linzer Dom handelt es sich um einen Anschlag auf die Freiheit der Kunst ( https://www.derstandard.at/…/wieso-verstoert-die… ). Die Künstlerin selbst spricht mit guten Gründen von einem “Ausdruck patriarchaler Gewaltbereitschaft”.
Aber das erscheint mir “nur” die äußere Wirkung bzw. das Ergebnis einer kollektiven, vorrangig männlichen Angst vor dem Leben selbst, zu der sie (und damit auch die Frauen durch ihre Ausgrenzung) die Kirche verdammt hat.
In der Diskussion diesdes Anschlags wurde immer wieder darauf hingewiesen, welch grausamen Darstellungen männlicher Körper die Bilder in Kirchen prägen. Und wir selbstverständlich das die Gläunigen finden. Die Schönheit des Lebens und Erhabenheit des Geburtsvorgangs hingegen findet da keinen Platz. Und die Körperteile, die das möglich machen, schon garnicht.
Und repräsentiert damit eine, von der Kirche als Moral verordnete kategoriale Geschlechter-Differenz, die den Männern das Wichtigste nehmen: den unmittelbaren Zugang zum Leben (und wohl auch Sterben).
Und jetzt stell ich mir den Typen vor, der da mit der Säge Hand anlegt, was da in ihm vorgeht: Die entsetzliche Angst und zugleich Wut, sich unverstellt seinem Leben stellen zu sollen, vom Anfang an, seine Geburt aus einer Frau, damit das Ende einer umfassenden Symbiose, das er seiner Mutter nicht verzeihen kann, für das er sich rächen muss, und für das ihm die Kirche als der ausgezeichnete Ort der Tabuisierung dessen, was das Leben überhaupt erst möglich macht: Die Kirche hat doch versprochen, mich vor mir zu schützen, mir zu helfen, mich vor meinen Lebensvoraussetzungen zu bewahren. Nicht sehen zu müssen, wer ich wirklich bin.
Dass der Täter am Kopf herumgesägt hat und nicht an der Vulva als dem aus seiner Sicht eigentlichen Ort des Skandals, darüber ließe sich noch länger nachdenken.
Vielleicht gehört ja zur Skulptur von Esther Strauss ja ein Komplement in Gestalt des Jesus-Plakats von Salustiano Garcia Cruz, das die Widersprüche kirchlicher Sexualmoral aus männlicher Anschauung repräsentiert ( https://www.hessenschau.de/…/jesus-gemaelde-des… ). Immerhin erzählt auch dieser Jesus von einer Schönheit des Lebens, die den Gläubigen nicht zugemutet werden darf.
Einfach gesagt: Das, was das Leben in seinem Ursprung ausmacht (und um das wir Männer die Frauen zutiefst beneiden) darf in der Kirche keinen Platz haben. Diese Botschaft mit der Aufstellung der Mariendarstellung infrage gestellt zu haben, ist den Zuständigen des Linzer Doms hoch anzurechnen.