Die meisten Besucher*innen des Films – so meine Unterstellung – sind von klein an indoktriniert von der der Vorstellung, dass im Bereich der Klassischen Musik wahlweise das Gute, Wahre und Schöne, der Herrgott persönlich oder zumindest heilendene Kräfte zu Hause sind.

 

Für sie alle hat der Tár eine frustrierende Desillusionierung parat: In diesem Metier geht es genau so angeberisch, bösartig, intrigant und brutal zu wie in allen anderen. Genauso wie er über die Kehrseite erzählt, über Nerugierde auf die Welt, intellektuellen Witz, Ausdrucksstärke, Leidenschaft, Einlassung und Resilienz.

Es ist – neben der darstellerischen Leistung von

 

Cate Blanchett – die Widersprüchlichkeit der Akteur*innen, die diesen Film so besonders machen. Und damit Musik (und sicher nicht nur Klassische Musik) zu einem Medium, mit dem Menschsein noch einmal breiter gefasst werden kann: In seinen unauslotbaren Abgründen, Wünschen und Begehrlichkeiten wie in seinen gestalterischen Kräften und Glücksmomenten.

Und so geht eine Welt auf, die Menschen -ohne vorauseilende Bewertung – zeigt, wie sie sind.

 

Und ich damit beschenkt werde, selbst darüber nachzudenken, was Musik mit mir macht. Und erst danach, ob weibliche Dirigentinnen “besser” sein müssen als ihre männlichen Kollegen. Wie wir es mit Bachs Musik halten wollen, wenn ein PIPoC sie zum Unterdrückungsmittel erklärt, wenn erotische Anziehungskraft Engagements erleichtert oder wie wir damit umgehen wollen, dass Menschen Musik als verkauffsstörend empfinden.

 

Auf “infame” Weise bettet dieser Film (Klassische) Musik noch einmal in unser aller Leben ein. Weil er uns anhand der Protagonist*innen zeigt uns, wer wir sind – als Ganze. Und nicht nur als die Teile, die wir anlässlcih eines Konzertbesuches gerne wären.

 

Ein Pflichttermin nicht nur für Musikvermittler*innen.