Wimmer’s Comment
Michael Wimmer regularly comments on the latest developments in culture, education and politics in his german commentaries. These are complemented by his own encounters and experiences as a lecturer, author and consultant.
Einladung zur Teilnahme, besser Mitwirkung
Noch sieben Tage bis zum Symposium „Konfrontation statt Repräsentation“:
In der Vorbereitung bin ich auf einen lesenswerten Beitrag von Jan Sowa „Ist Political Economy, Stupid“ gestoßen. In dem macht er u.a. auf den Unterschied zwischen Parlamentarismus und Demokratie aufmerksam. Ersterer erschöpfe sich im Zugeständnis an die Menschen, von Eliten ihrer Wahl repräsentiert zu werden. Die Demokratie in ihrem vollen Wortsinn verlangt nach politischen Subjekten, die ihr Geschick bereit sind, selbst in die Hand zu nehmen. Daraus ergäben sich nach Sowa ganz unterschiedlicher Vorstellungen von „Partizipation“, eine liberale Interpretation würden die herrschenden Formen der politischen Repräsentation nicht in Frage stellen, sondern entlang eines zivilgesellschaftlichen Engagements zu ergänzen. Eine progressive Interpretation hingegen kommt um die Machtfrage nicht herum: „The progressive idea of participation does not treat participation as a mechanism complementary to political representation, but as a major game changer in the political game as such”.
Die Parallelen zum Kulturbetrieb liegen auf der Hand. Auch hier haben wir es mit einer Auswahl von kulturellen Eliten zu tun, die für sich beanspruchen, „Kultur“ zu repräsentieren. Die Bürger*innen können sich dann entscheiden, ob sie sich mit ihrem kulturellen Verhalten mehr zur einen oder zur anderen Künstler*innen-Fraktion hingezogen fühlen und ihr Angebot konsumieren.
Was aber, wenn „Kultur“ allen gehört? Wenn Bürger*innen in die Lage versetzt werden, den althergebrachten Kulturbetrieb noch einmal grundsätzlich in Frage zu stellen, „Kultur“ selbst in die Hand zu nehmen, sich nicht mehr auf die Funktion von „Besucher*innen beschränken zu lassen, sondern an der Ausgestaltung ihrer kulturellen Umwelten aktiv mitwirken zu wollen? Sowa versucht den Brückenschlag zwischen politischer und kultureller Partizipation, wenn er von den Auswirkungen von „Occupy Movement“ auf den Kulturbetrieb berichtet. Er verweist u.a. auf die amerikanische Künstler*in Martha Rosler, die sich intensiv mit einer Reihe von Occupy Initiativen beschäftigt hat.
Wir erfahren, dass es mittlerweile eine Vielzahl an Initiativen (u.a. Valle Theater in Rom oder Embros in Athen) gibt, die versuchen, kulturelle Partizipation vom Kopf auf die Füße zu stellen. Im österreichischen kulturpolitischen Diskurs scheint dieses Thema noch nicht angekommen. Wäre da nicht Airan Berg, der in diesen Tagen das mit dem Slogan „Weil Kultur allen gehört“ das Projekt „Occupy Culture“ vorgestellt hat. Und auch die deutsche kulturpolitische Gesellschaft Kupoge lädt mit dem Projekt „Kultur Gestalten“ Bürger*innen dazu ein, als Auftraggeber*innen Künstler*innen auf Augenhöhe zu begegnen und als „Auftraggeber*innen“ aufzutreten.