Wimmer’s Comment
Michael Wimmer regularly comments on the latest developments in culture, education and politics in his german commentaries. These are complemented by his own encounters and experiences as a lecturer, author and consultant.
Mit Kultur Wahlen gewinnen, oder was….
Im Zuge der Veröffentlichung von Fabian Bursteins Streitschrift „Eroberung des Elfenbeinturms“ ist die Frage aufgetaucht, ob es möglich ist, mit Kultur Wahlen zu gewinnen.
Nun leidet die rudimentäre kulturpolitische Diskussion – wie Fabian Burstein nachvollziehbar analysiert – nicht nur an einer elitären “Überintellektualisierung”. Sie leidet auch an einer falschen “Verallgemeinerung”. Natürlich lässt sich trefflich drüber streiten, wer denn nun als Erster gesagt hat, dass “mit Kulturpolitik keine Wahlen zu gewinnen wären”. Aber was ist damit gewonnen?
Entscheidender scheint mir im Vergleich dazu, was konkret mit diesem Sager gemeint ist. Weil in diesem Zusammenhang so gern der Sonderfall “Österreich” angesprochen wird, dazu ein paar Anhaltspunkte für eine mögliche Differenzierung:
Da ist zum einen ein bis heute andauernder Anspruch einer kulturell überformten katholisch-konservativen Hegemonie, die im Kulturbetrieb sowohl in seiner hochkulturellen als auch volkskulturellen Ausprägung ungebrochen seine fröhlichen Urstände feiert und bei Wahlen sehr wohl immer wieder angesprochen wird (siehe die musizierenden Politiker*innen aus der Zeit der schwarz-blauen Ära.)
Das ist aber etwas anderes, wenn die Sozialdemokratie der frühen Jahre immer wieder versucht hat, diesem kultur-konservativen Block ein wirksames Gegengewicht entgegenzusetzen und Künstler*innen und Intellektuelle ein Stück des politischen Weges mitgehen. Und sich – nicht zuletzt motiviert durch den Ausbau des Kunstfördersystems – zumindest einige bereit erklärt haben, die Partei als Teil von Wahlkomitees zu unterstützen (und sei es, darin eine weitere Profilierungsmöglichkeit zu sehen). Dass die von einer Partei begünstigen Künstler*innen durchaus wankelmütig sein können, um zu Günstlingen einer anderen zu mutieren, haben nicht nur Wahlkampagnen des niederösterreichischen Landeshauptmannes Erich Pröll bewiesen.
Andere wiederum wollten selbst Politiker werden und gründeten eigene Parteien, ob das Karlheinz Hackl war oder Roland Düringer waren (in diese Kategorie fällt wohl auch Marco Pogo als Musiker und Gründer der Bierpartei bzw. aktueller Bundespräsidentschaftskandidat). Einige wenige, wie Franz Morak haben es schließlich sogar geschafft, wenn auch glücklos, politische Ämter zu übernehmen.
Und es ist wieder etwas anderes, wenn rechte Kräfte auf einen kulturell verfassten Heimatbegriff setzen und in denunzierender Abgrenzung zu dieser leeren rhetorischen Hülle ausgewählte Künstler*innen und Kulturpolitiker*innen öffentlich vorzuführen (“Lieben Sie Peymann….).
Insgesamt wäre ich vor allem in Zeiten der Reaktion, ja des Neo-Autoritarismus wie sie im Moment vorherrschend ist, besonders vorsichtig, “Kultur” als wahlpolitisches Kleingeld zu propagieren. Künstler*innen sind in der Regel ein Abbild der herrschenden Stimmungslage. Im Ernstfall hat sich nicht nur der traditionelle Kulturbetrieb immer als vehemente Stütze des Bestehenden erwiesen und sich dabei ungeniert auch zum Parteigänger antidemokratischer Kräfte gemacht. Impulse der Gesellschaftsveränderung sind immer nur von randständigen Teilen nur dann ausgegangen, wenn es zumindest indirekt eine Assoziation mit fortschrittlichen politischen Kräften gegeben hat. Die aber kann ich – jedenfalls in Österreich – zurzeit leider nicht sehen. Dass Politiker*innen sich immer wieder völlig lächerlich gemacht haben im Umgang mit Künstler*innen erwähne ich hier nur am Rand.